Wenn man den Text von Gen 1,1 - 2,4A genauer und unter verschiedenen Aspekten durchliest, zeigen sich manche "Auffälligkeiten":
Literarische Gesichtspunkte
- wiederkehrende Formulierungen
- Einteilung in "Strophen" (Einleitung - 6 Tage - 7.Tag)
- feierliche Sprache
Literarisch gesehen handelt es sich um ein
feierliches Gedicht, einen "Schöpfungshymnus".
(So gesehen erscheint die traditionelle Formulierung "Schöpfungsbericht" eher
unpassend und missverständlich.)
Entstehungszeit
Die historisch-kritische (Bibel-)Forschung gibt an, dass dieser Text
ca. 500 v. Chr., wahrscheinlich von Priestern in der Babylonischen
Gefangenschaft, verfasst wurde. Diese haben in Anlehnung an altorientalische
Weltentstehungsmythen ("Enuma Elish") dieses Bekenntnis zu dem EINEN Gott gestaltet.
Struktur des Hymnus
Reduziert man die entsprechenden Verse auf den Schöpfungs-Inhalt und
stellt man die entsprechenden Tage einander gegenüber, dann ergibt sich
das folgende Schema:
Werke der Scheidung | Werke der Ausschmückung |
---|---|
1. Tag
Licht - Finsternis |
4. Tag
Sonne, Mond, Sterne |
2. Tag
Wasser oben - Wasser unten |
5. Tag
Fische, Vögel |
3. Tag
Festland - Meer |
6. Tag
Landtiere, Mensch |
7. Tag
Ruhetag |
Offensichtlich vergleicht der Verfasser dieses Gedichtes die Schöpfungstätigkeit Gottes mit der eines Baumeisters: Zuerst werden die "Räume" geschaffen, dann werden sie "ausgeschmückt". "Kosmos" bedeutet "Schmuck" (Dieses griechische Wort steckt auch im Wort "Kosmetik", der Kunst des Schmückens, Verschönerns).
Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass möglicherweise der Verfasser selbst, die Sache mit den 6 Tagen lediglich als Einteilungsschema verwendet hat. Aber selbst wenn er dabei die Vorstellung von Tagen mit 24 Stunden hatte - dann gehörte das zu seinem Weltbild, welches wir heute mit dem Begriff altorientalisch charakterisieren. Weltbilder sind zeitgebunden und unterliegen dem Wandel. In der Bibel selbst taucht an anderer Stelle noch - ganz selbstverständlich - das ptolemäische Weltbild auf. Beide sind überholt. Wir wissen es heute besser, und es lohnt sich nicht, mit den Kreationisten darüber zu streiten.
Der Mensch - Ebenbild Gottes
Die wichtigste Aussage. Wie ist sie zu verstehen?
Heutige Schlüsselbegriffe sind: Würde und Verantwortung!
==> Jeder Mensch hat diese Würde in gleicher Weise, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft,
Bildung ...
==> Verantwortung: So wie Gott über das ganze Universum herrscht, so ist der Mensch
Herrscher über die Erde. Er ist Partner Gottes. Wir mögen das Wort "herrschen" nicht.
Besser verständlich - und der Bedeutung des Wortes "herrschen" im biblischen Sinn entsprechend -
ist der Begriff "Verantwortung". Der Mensch trägt Verantwortung für diese Erde. (Dies erkennen
heute mehr und mehr Menschen.)
==> Die moderne, profane Formulierung der "Gottebenbildlichkeit" des Menschen steht in unserem
Grundgesetz:
Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."